Eine philosophische Version.
Kant und Facebook? Die Kritik der reinen Vernunft gepresst in 140 Zeichen? Hegels Logiken gepostet auf Facebook, mit Bildern.
Karikaturen mit einiger Absicht. Nicht um das sicher Raum greifende Gefühl der Unverhältnismäßigkeit noch zu nähren, sondern um das eigentlich Prekäre jenes virtuellen Vorhabens zu charakterisieren, das die Massen auf stürmische Weise zu einen verstand.
Was ist Facebook/Twitter? Ganz sicher dass: der kleinste gemeinsame Nenner. Konklusion einer sich selbst entfremdenden Gesellschaft im virtuellen Raum, der es nach Simplizität und Nähe dürstet, die sich im globalen Großraum Welt qua Sinn(lichkeit) nicht mehr verwirklichen kann.
Nun kann der eine oder andere einwenden, dass Sinnlichkeit ganz sicher nicht das Problem ist, schließlich ist der Bildschirm und seine Inhalte sinnlich fassbar und keineswegs der Sinnlichkeit enthoben oder gar der Sinnlichkeit problematisch.
Allerdings ist das Virtuelle selbst nicht Welt – jener computergenerierte Inhalt nur Mathematik und kaum mehr Welt als eine binomische Formel. Sinn richtet sich da nicht auf Sinnliches, sondern auf Gedachtes. Betrachten wir eine Simulation, ist das Betrachtete nicht Welt, sondern ein Als-Ob der Welt, allerdings wissen wir bei einer Simulation um ihren Anspruch. Dass uns Facebook Menschen lediglich simuliert, teilt uns Herr Zuckerberg nicht mit.
Ein mathematisches Konstrukt wird Welt, wird Nähe, Lust, Freundschaft, Gesellschaft. Sinnlichkeit, mathematisch gezähmt, überläßt sich einer Ästhetik der Zahlen und Programmiersprachen, simplifiziert zu einer berechenbaren Masse möglichst weniger Variablen, die alles Individuelle, nicht Berechenbare, restringiert auf jene Möglichkeiten, die Facebook/Twitter vorschreibt (vorrechnet).
Doch, warum? Facebook/Twitter gibt es. Mit Grund! Die mathematische Zivilisierung des Globalen scheint mir, so beklagenswert man sie finden mag, notwendig, da eine Gesellschaft, die sich räumlich derart diversifiziert und beschleunigt, nicht durch unsere physischen Sinne allein begriffen sein kann. Sowenig ein Pilot eines Überschall-Jets auf sein (H)ead(U)p(D)isplay (eine simplifizierende Version des ihn umgebenden Raumes) verzichten kann, sowenig können wir auf Facebook/Twitter verzichten, die uns Informationen verdichten, damit vereinfachen und verkrüppeln, und eine Orientierung in einer Zeit und in einem Real-Raum ermöglichen, der unsere gegebenen, sinnlichen Möglichkeiten derart überreizt hat, dass wir Zuflucht nehmen in einem Konstrukt aus einfachsten Regeln und Möglichkeiten.
Und dennoch ist, bei allem Bedacht der Notwendigkeit, Folgendes ebenso wahr: Sind wir qua Sinn an Sinnliches verwiesen und ist dies Sinnliche die Welt und die Welt nicht durch uns konstituiert, so sind wir zwar an die Welt schlechthin verwiesen, können uns aber Grund dessen sicher sein, dass wir an ihr Wahrheiten entwickeln können, die sich unabhängig unserer Selbst als solche behaupten können.
Richtet sich unser Sinn jedoch nicht auf Sinnliches, sondern auf Gedachtes, so ist die Möglichkeit darin eine Wahrheit, die unabhängig unserer Selbst Bestand haben könnte, leidlich fern. Ist doch dies Gedachte (Facebook/Twitter und die darin produzierten Inhalte) lediglich Produkt einiger Denkender, die keineswegs denken müssen, dass sie adäquat abbilden, sondern möglicherweise intendieren zu konstruieren, wo wir Wiedergabe vermuten. Aus der Sicht des Piloten beschrieben gliche dies einem HUD, das nicht von bordeigenen Sensoren Daten erhält, sondern von sich einen schlechten Witz erlaubenden Idioten, die alles andere intendieren, nur nicht die adäquate Angabe wesentlicher Daten (genauer: der Pilot kann nicht prüfen, ob seine Daten von idiotischer Hand eingegeben wurden, oder nicht doch bordeigenen Systemen entspringen). Derart dramatisch ist eine Fehlinformation im Facebook/Twitter Falle zwar nicht, hat aber den gleichen erkenntnistheoretisch und letztlich ethischen Status: nämlich den der Lüge.
Somit ist es als gar nicht unwesentlich zu werten, dass unser Pilot seinen Pilotenhelm (dort befindet sich meist das HUD) mithin abnehmen kann, um sich zu überzeugen, ob seine Informationen richtig oder falsch sind. Manche Information jedoch wird er nicht sinnlich überprüfen können und immer einem Sensorium vertrauen müssen, das nicht sein eigenes ist. Auch wir können uns vor dem Bildschirm erheben und Freunde realiter aufsuchen, um Informationen zu validieren. Aber möglicherweise ergeht es uns globalisiert Beschleunigten bald wie unserem Pilot, der sich in eine Situation begeben hat, die sich a priori seiner Verfügung entzieht und so die Determination auf technisch, mathematische Daten nicht mehr nur als Möglichkeit, sondern als lebensnotwendige Notwendigkeit begriffen werden muss. Möglicherweise verlernen wir das HUD abzusetzen, möglicherweise verwächst der Helm mit samt seiner Simulation und wird nicht mehr zu trennen sein von dem, das wir einst Individuum nannten. Wirklichkeit wird Simulation. Science Fiction, die ihre ersten Schritte tut und der wir, in grenzenlosem Selbstwahn, meinen Herr zu sein und nicht genügend eingesehen haben, dass wir mit Facebook/Twitter schon längst keine Herren mehr sind, sondern Sklaven einer Lüge, die wir selbst verantworten, ja lieben, ja brauchen, sowie der Pilot sein HUD braucht, will er seinen Überschall-Jet handhaben.
Aus freiem Willen schufen wir Mittel seiner Befriedigung, deren Sklaven wir in gleichmütigem Gebrauch des Geschaffenen bleiben, solange wir sie gebrauchen und nicht, wie immer, zu einer neuen Einsicht in Freiheit gelangen, die Hegel Geist nannte und die unabhängig jedes Gebrauchs uns selbst kennt und ergreift und weiterträgt, in und durch eine Welt an der wir uns mühen und quälen – deren größte Mühe und Qual aber doch wir selbst bleiben (weshalb Facebook/Twitter keinen geringeren Inhalt als die Menschen selbst hat).
Was ist nun Facebook/Twitter? Ein Überschall-Jet, den wir wollen und brauchen – gebrauchen. Dessen Gebrauch Folgen hat und Wirklichkeiten schafft, deren Möglichkeiten und Gefährlichkeiten wir noch unzureichend erforscht und gewichtet haben. Und es ist ganz sicher jeder Gedanke wert, der die Selbstverständlichkeit solch globaler Normierungen kritisch reflektiert und die Selbstverständlichkeit aufbricht, die uns der einfache Gebrauch solcher Mittel wärmend und trügerisch um den kalten, unbequemen Wunsch nach Wahrheit legt.
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